Aus der Geschichte des Weinheimer Schützenwesens

Die Anfänge des Weinheimer Schützenwesens liegen im dunkeln. Man darf jedoch als sicher annehmen, daß es sich ebenso herausbildete wie in den anderen Gemeinwesen des mittelalterlichen Reiches.

Die Anstöße zur Bildung einer Schützengilde lagen in der Verpflichtung der Weinheimer Bürger, im Heeresaufgebot ihres Landesherren zu dienen. Die mittelalterliche Beziehung zwischen Herr und Untertan war durch ein ganz eigentümliches Rechtsverhältnis gekennzeichnet. Dem Herrn legte es ,,Schutz und Schirm“ seiner Untertanen auf, diese waren ihm als Gegenleistung ,,Rat und Hilfe“ schuldig. Zur Hilfe gehörte jedoch das Dienen im Heere des Herrn. Ein weiterer, wichtiger Schritt zur Ausformung eines Schützenwesens bedeutete die Verleihung der Stadtrechte und die darauf folgende Befestigung eines Teils der Stadt mit Mauern und Türmen ab 1250. Die Erhebung der Weinheimer Einwohner zu freien Stadtbürgern brachte zugleich die Pflicht, die Stadt im Ernstfall gegen Feinde des Landesherrn zu verteidigen.

So verwundert es nicht, wenn schon 1361 einer der am frühesten überlieferten Flurnamen einer Weinheimer Gemarkung „Auf dem Armbrosten“ heißt, was auf einen dort befindlichen Schießplatz der Armbrustschützen hinzuweisen scheint. Durch die Erfindung des Schwarzpulvers wurde die Armbrust jedoch mehr und mehr verdrängt.

Wir erhalten zum ersten Mal Kenntnis anläßlich der Rüstungsanstrengungen des Kurfürstentums Pfalz zum sog. Bayrischen Erbfolgekrieg anno 1504. Zu dieser Auseinandersetzung hatte Weinheim 65 Mannen zu stellen: ,,Item 30 Spieser, item 16 bichenschitzen, item 19 helmparter (HeIlebarden-Bewaffnete)“.

Aus dem selben Jahrhundert sind uns noch weitere Einzelheiten überliefert. Am 15. August 1576 siegelte der kurfürstliche Weinheimer Stadtschultheiß Georg Glöckner ein Ladschreiben der Weinheimer Schützengilde an die Schützen von Hirschhorn am Neckar. Das Original befand sich bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt.

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts brachte den 30-jährigen Krieg, der auf unserer Gegend besonders schwer lastete und das städtische Gemeinschaftsleben schwer in Mitleidenschaft zog. Mit dem Wiederaufbau des Landes erwachte auch das Schützenleben wieder. So verkündete der Stadtrat am 17. Mai 1655, ,,daß am nächsten Tag ein Schießen zu Neckargemünd angestellet werden sollt, wozu jedermann geladen sey.“

Am 22. Mai 1655 beschloß dann der Weinheimer Rat, sich für diese Einladung zu revanchieren und auch in Weinheim ein Glücksschießen zu Freitag nach Pfingsten, also zum 8. Juni 1655, auszuschreiben.

Für die folgende Zeit verstummen dann unsere Quellen bezüglich der Weinheimer Schützen. Erst im Jahre 1724 hören wir von einer ,,Bürgerlichen Schützen-Gesellschaft der Stadt Weinheim“, anläßlich eines von ihr veranstalteten, mehrtägigen Preisschießens. Was aus dieser Bürgerlichen Schützen-Gesellschaft geworden ist, wissen wir nicht.

In den unruhigen Tagen der badischen Revolution von 1848/49 formierte sich in Weinheim wieder ein Schützenkorps als eine Art Bürgerwehr zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Im Jahre 1860 schließlich erfolgte die Gründung der ,,Weinheimer Schützengesellschaft“. Die Vorgang ist zu sehen im Zusammenhang mit dem umgreifen des deutschen Nationalstaatsgedankens, der sich 1861 auch in der Gründung des Deutschen Schützenbundes manifestiert, ausdrücklich „zum Zwecke der Verbrüderung aller deutschen Schützen“. Ein Blick in die ab 1877 erhaltenen Protokolle zeigt, daß auf Schießständen im Birkenauer Tal, später auf dem Gelände der heutigen Waldschule im Müllheimer Tal geschossen wurde. Dieser Verein übte aber auf breitere Bevölkerungsschichten von vornherein nur wenig Anziehungskraft aus. Der erste Weltkrieg unterbrach dann jede sportliche Schützentätigkeit. Der im Jahre 1923 gegründete Sportschützenverein Weinheim setzt nun die Tradition des Weinheimer Schützenwesens fort und kann in diesem Jahr auf eine 75-jährige Vergangenheit zurückblicken.

Aufgestellt: 1973 von Dr. Alois Merka
1993 von EOSM Artur Lutz ergänzt
1998 von H. J. Raffel ergänzt
aus der Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum 1998